Pierre Franckh: Ist verlorene Liebe verlorene Zeit?

Wenn wir auf unsere bisher gelebten Beziehungen zurückblicken, sehen wir oft nur das Ende, die Verletzungen und betrachten diese Partnerschaften dann als gescheitert. Wir haben das Gefühl es nicht geschafft zu haben. Was immer dieses „Es“ auch sein mag. Wir trauern dann gerne um eine verlorene Zeit. Ist sie wirklich verloren?

Alle bisherigen Partnerschaften in unserem Leben hatten einen tieferen Sinn. Wir sind an ihnen gewachsen. Manchmal wachsen wir auch aus Beziehungen heraus. Das zeigt dann, dass wir eine Entwicklung gemacht haben und weitergehen wollen, um neue, andere Erfahrungen zu machen und erneut weiter wachsen zu können. Manche Partnerschaften jedoch hindern uns am Weiterwachsen. Nicht nur weil der Partner die Entwicklung vielleicht nicht mitmachen möchte, sondern auch, weil wir nun womöglich andere Erfahrungen benötigen, um unsere Persönlichkeit weiter zu entfalten.
Aus diesem Grund haben wir auch unsere allererste Partnerschaft verlassen. Die mit unseren Eltern. War diese Zeit auch vertane Zeit? Haben wir hier auch das Gefühl „es“ nicht geschafft zu haben? Wohl eher nicht.
Das liegt natürlich daran, dass unsere Kultur dies für völlig normal hält. Irgendwann entwachsen wir unseren Eltern, wir werden groß und wollen neue, andere Erfahrungen machen. Da unsere Umwelt dies sogar als Maßstab des Erwachsen­werdens vorgibt, empfinden wir dies als völlig normalen Abnabelungsprozess. Wir entwachsen diesem, nun zu eng gesteckten, Rahmen.

Warum betrachten wir eine Paarbeziehung nicht gleichermaßen? Überkommene Moralvorstellung prägen noch heute das Bild einer idealen Beziehung. Immer noch halten viele eine Partnerschaft nur dann für gelungen, wenn sie für immer und ewig hält. Wenn es glückt, ist es gut. Wenn nicht, muss es kein Unglück sein. In den meisten Fällen bleibt die Immer-und-Ewig-Liebe eine schöne Illusion, die am Leben vorbei zielt und deshalb prompt scheitert. Statt Illusionen nachzuhängen sollte uns klar sein: Jede Partnerschaft hält andere Aufgaben für uns bereit, andere Erfahrungen, andere Prüfungen, andere Glanzstücke.

Wir wachsen von Liebe zu Liebe. Von Liebe zu Liebe werden wir beziehungsfähiger. Wir werden auch liebesfähiger und befreien uns von alten Mustern. Wir lernen mit den Vor- und Nachteilen von Treue umzugehen. Wir lernen, wie es ist, Opfer und Täter zu sein. Wir erfassen, was Eifersucht für Gefühle auslösen kann. Wir erfahren, was Hingabe bedeutet, Pflicht und Leidenschaft. Wir erleben Machtspiele, Liebesentzug, Gier und Verlustangst. Wir machen Kontakt mit unserer Wut, Ohnmacht und Trauer. Mit Intimität, Nähe und Geborgenheit. Mit Geheimnissen, Verrat und Verantwortung.
Wir lernen Dinge zu verschweigen, wo reden besser gewesen wäre. Wir lernen Dinge zu sagen, wo schweigen besser gewesen wäre. Wir lernen mit tausend verschiedenen Momenten umzugehen und lernen uns dabei auch in den eigenen Tiefen kennen. Vieles davon mögen wir nicht. Und vieles von dem, wie wir selbst in einer Partnerschaft sind, mögen wir vielleicht sogar am allerwenigsten.
Wir lernen alles über uns in Partnerschaften. Wir erfahren, wer wir sind und was unsere Schattenseiten sind.

Der Weg von Partnerschaft zu Partnerschaft
– Jeder Mensch, der in unser Leben tritt, hat eine Lernaufgabe für uns. Vor allem solche Menschen, bei denen wir Emotionen empfinden, gleichgültig ob positiv oder negativ. Durch Emotionen erfahren wir Neues über uns.
– Jeder Mensch, der unser Leben streift oder länger begleitet, wirkt auf unsere Entwicklung ein.
– Menschliche Beziehungen lehren uns all die Dinge, die wir benötigen, damit wir in unserer Entwicklung voranschreiten.
– Wenn wir bereit sind, unsere Beziehungen auch als Lernerfahrungen zu betrachten und es schaffen, die Aufgaben, die in jeder Partnerschaft uns herausfordern, anzugehen, steigen wir in unserer Frequenz, und ziehen damit andere neue Menschen in unser Leben, die neue andere Erfahrungen für uns bereithalten.
– Weigern wir uns, diese Lernerfahrungen zu machen und zu meistern, wandern wir in einer ewig wiederkehrenden Schleife immer wieder gleichen ähnlichen Lernerfahrungen entgegen. Wir treffen also immer wieder Menschen, die uns die gleichen Lernerfahrungen anbieten.
– Wir sagen dann gerne: „Immer treffe ich den gleichen Mann, die gleiche Frau. Stets passiert mir immer das Gleiche.“ Wir glauben dann oft, es läge an uns, etwas würde mit uns nicht stimmen, wir wären unfähig eine Partnerschaft zu führen. In Wahrheit weigern wir uns einfach nur, gewisse Erfahrungen anzuerkennen und sie zu meistern.
– Sobald wir eine Lernerfahrungen erfolgreich gemeistert haben, werden wir neue andere Menschen in unser Leben ziehen, die höher schwingen und neue Lernerfahrungen auf einer höheren Ebene für uns bereithalten.
– In jeder Partnerschaft reifen wir. Wir werden bewusster, wacher, beziehungsfähiger und offener für die wahre große authentische Liebe.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir noch viele andere Partnerschaften zu durchlaufen haben, bevor wir unserem Seelenpartner begegnen dürfen, auch wenn dies nicht ausgeschlossen ist. Dies bedeutet nur, dass wir den Blickwinkel auf unsere bisherigen Partnerschaften verändern und die Lernerfahrungen, die wir dort gemacht haben, erkennen, akzeptieren und sie mit einem neuen Blickwinkel betrachten sollen.
Umarme deine Vergangenheit.

 

Den ganzen Artikel können Sie im ENGELmagazin Mai/ Juni 2021 lesen.

Pierre Franckh ist SPIEGEL- und FOCUS-Bestsellerautor. Er ist mit Michaela Merten – ebenfalls Bestsellerautorin und Coach – verheiratet. Gemeinsam haben sie die Online-Academy & Community: www.Happiness-House.de gegründet, eine Plattform für Persönlichkeitsentwicklung.
www.Pierre-Franckh.de · www.Michaela-Merten.de

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