Dr. Hans Christian Meiser: Schön ist, was du in Liebe betrachtest. 

Natürliche Harmonie und Ästhetik
Schön ist, was du in Liebe betrachtest.
Gibt es sowohl eine objektive Schönheit als auch eine individuelle, die niemanden benachteiligt, sodass alles als schön bezeichnet werden kann, was der Mensch in Liebe betrachtet? Dr. Hans Christian Meiser
ist dieser uralten Frage nachgegangen.
Von Dr. Hans Christian Meiser
Tanz in Form von Ballett ist für mich der höchste Ausdruck von Schönheit. Die darin enthaltene subjektive Einheit von Mensch und Musik stellt in meinen Augen die gelungenste Kombination von natürlicher Harmonie und Ästhetik dar, die es gibt. Ein Mensch, der die Vielfalt seiner Körperbewegungen den vorgegebenen Klängen nicht nur anzupassen, sondern sie auch zu interpretieren oder zu verstärken vermag, hat bereits das innerste Wesen der Schönheit erfasst: Er ist in den Bereich der Harmonie vorgedrungen, dorthin, wo Schönheit gleichsam objektiv fassbar wird. Denn Harmonie beruht nicht auf einem blinden Zufall, sondern ist Ausdruck einer größeren, kosmischen Ordnung, als deren Abbild wir uns selbst wiedererkennen mögen.

Die Geometrie der Natur

Die absolute Ordnung ist am ehesten in der Natur zu finden, im Eiskristall, im Schneckenhaus, im Blütenstempel, in der Wolkenstruktur oder im Spinnennetz. Wenn wir diese Ordnung näher betrachten, fällt auf, dass sich die darin verborgenen Proportionen ständig wiederholen. „Durch das Begreifen dieser Ordnungsprinzipien“, schreibt Stephanie Faber, die durch ihre Werke zur natürlichen Schönheitspflege vor einigen Jahrzehnten für Aussehen sorgte, „wird uns die großangelegte Geometrie der Natur bewusst, und wir werden uns selbst als ein Muster der Natur sehen. Die Einheit in der Vielfältigkeit findet sich in den Proportionen des menschlichen Körpers, sie findet sich in jedem Tier, in jeder Pflanze, in jedem Stein. In der Geometrie der Natur ist nicht der Mensch das Maß aller Dinge, er ist nur ein Muster, ein Entwurf, wie alles andere auch Muster ist, Darstellung eines kosmischen Ordnungsprinzips, das weiser ist, als wir zu denken in der Lage sind.“ Dieser Umstand ist vermutlich der Grund, warum wir etwas oder jemanden überhaupt als schön empfinden. Unbewusst entdecken wir in ihm das nunmehr manifest gewordene Abbild einer höheren Ordnung. Somit lässt sich die alte Weisheit, nach der Schönheit immer nur im Auge des Betrachters liegt, positiv deuten, und die Trennung zwischen innerer und äußerer Schönheit erscheint beinahe nichtig, obwohl man anerkennen muss, dass äußere Schönheit sich auf Dauer nur durch innere Schönheit erhalten lässt. Die Schriftstellerin Chao-Hsiu Chen stellt dazu eine raffinierte Frage: „Würden Sie in einem Antiquitätengeschäft einen prächtig verzierten Rahmen kaufen und ihn nur der Schönheit wegen zu Hause an die Wand hängen oder hätten sie den Rahmen doch lieber zusammen mit einem schönen Bild?“

Geist und Materie 

Zu allen Zeiten und in allen Kulturen hat es Schönheitsideale gegeben, die sich mit dem Wandel der Lebensumstände änderten. Vorbilder und Ideale verschwanden, und an ihre Stelle traten neue, nur um irgendwann von den alten in modifizierter Form wieder abgelöst zu werden. Möglicherweise findet dabei sogar eine genetische Veränderung statt, wie sonst ist zu erklären, dass z. B. Gesichter, wie sie etwa von der Kinoleinwand der 40er- oder 50er-Jahre bekannt waren, danach kaum wieder auftauchten. Auch am Beispiel des fast magersüchtigen Modells Twiggy, das in den Swinging Sixties berühmt wurde, lässt sich diese merkwürdige körperliche Veränderung ablesen. Um es ein wenig überspitzt zu formulieren: Beinahe über Nacht „schrumpften“ einer ganzen Generation von Teens und Twens die Brüste, aber nicht, weil sich diese Mädchen Hungerkuren aussetzen, sondern weil sie ihrem Körper vielleicht einen geistigen Impuls gegeben hatten, der ihnen half, ihr angestrebtes Schönheitsideal zu erreichen. Wenn dem so ist, dann wäre dies ein Beweis dafür, dass der Geist tatsächlich die Materie beherrscht. Das gilt auch für das folgendes Beispiel: Der weibliche Teil der Bevölkerung des Südsee-Königreiches Tonga hingegen war dem gegenteiligen Extrem verfallen: Nur wer sich übermäßig rund, ja geradezu fett, präsentierte, wurde für schön erachtet. Der westliche Einfluss auf das Pazifikparadies ist heute schon sichtbar: Die Frauen werden wieder dünner – allerdings ohne gezielt abzunehmen!

Keine Form gleicht der anderen

Ob Twiggy- oder Tonga-Schönheit: Auf geheimnisvolle Weise scheint sich alles nach Ausflügen ins Extreme wieder der naturgegebenen Harmonie anzupassen, da der Einfluss der kosmischen Ordnung so stark ist, dass letztlich doch das „Gleiche das Gleiche sucht“, wie schon der Lehrsatz des Pythagoras besagt. Doch auch hier gilt es zu differenzieren. Montaigne schreibt: „Da keine Form vollkommen der anderen gleicht, unterscheidet sich auch keine vollkommen von der anderen. Wenn sich unsere Gesichter nicht glichen, könnten wir Menschen nicht von Tieren unterscheiden; wenn sie keine Unterschiede aufwiesen, könnten wir Menschen von Menschen nicht unterscheiden.“

Durchbruch zum eigentlichen Wesen

Man hat den Eindruck, dass natürliche Harmonie und Ästhetik sowie die Schönheit als deren innere und äußere Manifestation einem tieferen Sinn folgt: dem Menschen zu verdeutlichen, dass er nur ein Teil einer übergeordneten Schönheit ist, die zu schauen er nur dann in der Lage ist, wenn er seine eigene, innere Vollendung entdeckt. Der Spiegel ist dabei aber nur ein nützliches Instrument, wenn es dem Menschen gelingt, durch sein Spiegelbild hindurchzusehen und zu seinem eigentlichen Wesen zu gelangen. Dort entdeckt er dann jene Schönheit, in der Geist und Materie zur Symbiose verschmolzen sind.
ENGELmagazin Autor Hans-Christian Meiser
Dr. Hans Christian Meiser

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