Dr. Wolf-Dieter Storl: So ein Waldspaziergang tut Wunder…

Dr. Wolf-Dieter Storl ist einer der kundigsten Wissensvermittler über unsere Verbindung mit der Natur. In vielen Teilen der Welt erforschte er als Kulturanthropologe, Ethnobotaniker Heilkunde, die Seele der Pflanzen und die Einheit von Mensch, Natur und Kosmos. Das Interview mit Dr. Wolf-Dieter Storl führte Thomas Schmelzer.

In seinem Buch „Unsere fünf heiligen Bäume“ erinnert er uns durch Geschichten, Sagen und Weisheitswissen, dass wir mit der Birke, Buche, Eiche, Linde und Eibe schon lange zusammenleben. Diese Bäume sind „Lebewesen, mit denen wir eine Co-Evolution von Hunderten Millionen Jahren gemeinsam haben.“

Thomas Schmelzer: Lieber Wolf-Dieter Storl, in deinem neuen Buch führst du uns in die Welt der Bäume und zeigst uns anhand der fünf wichtigsten Bäume unseres Waldes, wie wir mit ihnen verbunden sind. Das scheint in unserer Zeit mehr als nötig, uns dieser Verbundenheit wieder bewusster zu werden, nicht wahr?
Wolf-Dieter Storl: Fürwahr. Es hätten auch zwölf oder mehr Bäume sein können, denn jede Baumart hat ihren eigenen Charakter, jede ist Ausdruck eines geistigen Archetypus. Bäume, wie die Pflanzen überhaupt, leben im Gegensatz zu uns Menschen im innigen Einklang mit den kosmischen Rhythmen und dem ätherischen Kräftespiel der Erde. Sie können uns physisch und seelisch heilmachen. „Suchst du das Höchste, das Größte, die Pflanze kann es dich lehren. Was sie willenlos ist, sei du es wollend – das ist’s! “ – das sagte einmal der weise Dichter Friedrich Schiller.

„Wir sind durch die Bäume so geworden, wie wir sind“, schreibst du in deinem Buch. Wie ist das gemeint?
Entwicklungsgeschichtlich wurden wir, seit dem Ende der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren, von Wald und Bäumen geprägt. Der Lebensraum unserer Primaten-Vorfahren waren die oberen Wipfel der Bäume. Deswegen entwickelten wir greifende Hände, die wir mit fokussiertem Tiefensehen koordinieren. Als Früchteesser in einer grünen Blätterwelt entwi­ckelten wir die Fähigkeit, Farben zu sehen. Beweglichkeit der Arme und eine Voranpassung an die aufrechte Körperhaltung kamen durch das Kletterleben hinzu. Aber auch seelisch prägten uns die Bäume: Die in fast allen Kulturen vorhandene Vorstellung von dem Weltenbaum, einen Baum, der Unterwelt, die dazwischen liegende Mittelwelt (Midgard) und die Himmelswelt verbindet, gehören dazu. Bäume gelten oft als Tore zu anderen Seinsdimensionen; unser Wort Tor oder Tür ist sogar sprachkundlich verwandt mit dem indoeuropäischen *dru oder *deru, was Baum oder Eiche bedeutet. Der keltische Druide ist der Eichen- oder Baum-Weise (dru und wid). Auch der sibirische Schamane klettert auf einen Baum – meistens eine Birke – in die andere Welt zu den Göttern und Geistern.

Fünf Bäume sind es, mit denen wir seit langer Zeit leben: Birke, Buche, Eiche, Linde und Eibe. Jetzt sind wir im Frühjahr und da ist natürlich die weiße Birke präsent. Die Birke löst den verhärteten, winterlichen Zustand, sie sprengt das Erstarrte. Magst du uns das in ein, zwei Beispielen erläutern?

Die Birke war für die alten Völker Ausdruck der lichthaften, weißen Göttin – der Brigit der Kelten, der Saraswati der Inder –, die die Winterstarre beendet, die Vegetation aus ihrem Schlaf erlöst und im Menschen die Imaginationen fließen lässt. Wenn man unter einer Birke meditiert, sich ihr seelisch öffnet, dann kann man das erleben.

Die Birke steht für Neuanfang und Reinigung. Birkensaft, im Frühling gezapft und getrunken, entschlackt, treibt Harn und reinigt das Blut. Birkengrün am Giebel weiht beim Richtfest das neuerbaute Haus. Und die Birke (Beth) ist der erste Buchstabe des irisch-keltischen Alphabets. Vielleicht ist die Birke ja auch in dieser Zeit besonders wichtig, da wir uns, so hoffe ich, allmählich auch aus einem gesellschaftlich erstarrten Zustand befreien …
Die Seelen der Bäume sind, so schreibst du, nach außen gerichtet. Das, was bei uns das Innenleben ist, geschieht bei den Bäumen außen. Kann man tatsächlich sagen, dass Seele Seele berührt, wenn wir uns an einen Baum lehnen, ihn innerlich wahrnehmen und uns sozusagen von seiner Seele umhüllen lassen? 
Die Pflanzen überhaupt haben kein Innenleben, keine inneren Organe, wie etwa die Tiere, die per definitionem als beseelt gelten. Das heißt aber nicht, dass sie keine Seele haben, sie sind eher „umseelt“. Eine materialistische Naturwissenschaft kann nur das äußere, materielle der Bäume erfassen – chemische Inhaltstoffe, Gewicht und Dichte des Holzes usw. Aber es gibt auch einen feinstofflichen Energiekörper (Ätherleib), den etwa feinfühlige Wünschelrutengänger erspüren können. Aber da hört es nicht auf: Wenn man es vermag, still zu sein, die eigene Seele leer zu machen und nicht im Fluss der Gedanken steckenbleibt, dann ist es möglich, das Seelenhafte einer Pflanze im „Spiegel der eigenen Seele“ wahrzunehmen. Das sind dann keine Projektionen oder Fantasien, sondern echte Wahrnehmungen. Die Seele der Pflanzen verkörpert sich nicht, wie die des Tieres oder des Menschen. In der Blüte kommt sie jedoch einer Verkörperung ganz nahe. Die Blüte ist das beseelteste Organ einer Pflanze; deswegen schenken wir Blumen, um seelische Botschaften zu vermitteln.
In früheren Zeiten konnten die Menschen noch viel mehr in Kontakt mit den Bäumen fühlen, wahrnehmen und bekamen auch innere Visionen und Botschaften von ihnen. Ist uns diese Fähigkeit abhandengekommen?

Die Fähigkeit mit Bäumen zu kommunizieren und Visionen und Botschaften von ihnen zu empfangen ist nicht verlorengegangen. Der seelische Kontakt mit ihnen, mit der Natur überhaupt, ist unser Geburtsrecht. Wir modernen Zeitgenossen sind lediglich abgelenkt und verzaubert. Medienunterhaltung, Infotainment, die neusten Moden, intellektuelle Abstraktionen und Begierden aller Art halten viele von uns im Bann und lenken uns ab. Unser Geist ist ständig auf Sendung und viele haben verlernt, gelegentlich leer zu werden und auf Empfang umzuschalten.

Was können wir tun, um uns wieder mehr mit der Natur und den Bäumen zu verbinden? Gibt es da eine besondere Meditation? Vermutlich ist ja ein bewusster Spaziergang schon der erste Schritt …

Uns mit den Bäumen wieder zu verbinden – was wirklich heilsam wäre – ist für jeden möglich. Matsuo Basho, ein Meis­ter des japanischen Haiku, der im 17. Jahrhundert lebte, sagte: „Was die Kiefer angeht, lerne von der Kiefer, was den Bambus angeht, vom Bambus.“
Man braucht keine Vorkenntnisse, kein botanisches Wissen oder eine Yoga-Ausbildung, um sich mit einem Baum zu verbinden. Es bedarf auch keiner besonderen Sitzpositionen (Asana); man kann die Augen öffnen oder sie auch geschlossen halten. Man nehme sich einfach die Zeit und gehe hin zu dem Baum, erklettere ihn oder setze sich an dem Stamm.

Es geht nicht darum, wie im Yoga, die Pforten der Sinneswahrnehmung zu schließen und sich auf das innere Licht zu konzentrieren. Im Gegenteil, die sinnliche Wahrnehmung ist der beste Einstieg. Die Rinde fühlen und beschnuppern, ein Blatt kosten (außer bei der giftigen Eibe!), lauschen, wie der Wind durch den Wipfel streicht, auf Erscheinungszusammenhänge achten. Ist man durch diese Pforte gegangen, offenbart sich allmählich das Feinstoffliche, man kann – aber muss nicht – die Augen schließen und auf innere Wahrnehmungen achten, auf Bilder, die eventuell eintreten.Wenn die Meditation gut verläuft kommt ein Gefühl der Wonne auf; die Zeit scheint nicht mehr zu existieren.
Wonne, jenseits von Worten, ist das Wesen der Bäume und der Pflanzen überhaupt – deswegen nannten die Nordgermanen die Götter und Göttinnen der Pflanzen, die zugleich die friedlichen Götter des goldenen Zeitalters waren, Wanen, die Wonnevollen (verwandt mit lat. Venus). Diese Wonne zu erleben ist der Höhepunkt einer Baummeditation. Aber schon ein Waldspaziergang tut Wunder. Das zeigen die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Ostasien, wo empirische Messungen zeigen konnten, dass allein schon der Aufenthalt im Wald, das „Waldbaden“ (Shinrin Yoku) Depressionen verschwinden lässt, das Immunsystem anregt und das Herz beruhigt.

„Bäume sind weise Wesen. Sie leben in der Stille. Sie sind Meister der Meditation. Sie nehmen das aus der Sonne strömende »Om« auf. Sie nehmen die kosmische Harmonie auf. Sie verwandeln das Licht in Leben. Das gibt uns die Luft zum Atmen, das gibt uns jegliche Nahrung. Die großen Wälder sind die Lungen der Erde. Sie geben uns den Sauerstoff. Die Bäume geben und geben, weil sie aus dem göttlichen Kosmos unendlich viel empfangen. Sie verbinden Himmel und Erde.“
Dr. Wolf-Dieter Storl

Wolf-Dieter Storl: „Unsere fünf heiligen Bäume. Meditieren und heil werden in der Natur“. Knaur MensSana HC, München. Erhältlich auch unter: www.mondhaus-shop.de

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