Thomas Schmelzer: Nur Mut zur Wut!

Wir als spirituelle Wesen, die eine menschliche Erfahrung machen, verbinden mit dieser Spiritualität oft Werte wie Liebe, Mitgefühl, Sanftmut, Heilung, Verbindung. Und nicht so gerne Ängste, Trauer, Wut, Aggression. Unser Autor und Regisseur Thomas Schmelzer ist der Meinung, dass all dies jedoch zum Menschsein dazugehört.

Und doch gehört alles zum Menschsein dazu und wenn wir glauben, dass wir als Spiris immer sanft sein müssen, wenn’s drauf ankommt, lieber nachgeben und jedem Streit aus dem Weg gehen sollten, dann haben wir den Himmel und das Leben selbst nicht ganz verstanden. Denn es kann durchaus sein, dass wir diese Haltung nur deswegen angenommen haben, weil wir als Kind nur die negative Auswirkung der oben genannten zweiten Hälfte der Gefühle erlebt haben.

Das Leben aber ist alles. Was für eine Aggression, was für eine Beständigkeit, was für eine Kraft gehört dazu, um überhaupt ins Leben zu kommen? Das zarte Pflänzchen mitten im Beton am Gehsteig, das seine liebe Blüte zeigt, konnte dies erst tun, nachdem es sich zuvor mit steter Kraft und Durchdringung durch den Beton gekämpft hatte. Das Baby, unterstützt durch die Liebe der Mutter, auf dem Weg in ein neues Leben, muss durch einen engen Geburtskanal, braucht alle Kraft, die es in sich hat, um hernach in den Armen der Mutter zu liegen und die ersten Atemzüge zu erleben. Auch diese sind zuerst mal nur anstrengend und absolut neu. Ohne klaren Lebensmut wäre das Kind nie dazu in der Lage.
Wenn wir einem unangenehmen Chef begegnen oder täglich gemobbt werden, sollten wir vielleicht zur rechten Zeit eine gewisse Aggressivität, die sich durch Wut angesammelt hat, als Energie nutzen, um uns zu wehren. Das muss ja dann nicht verletzend sein, aber damit wir die nötige Energie, den Mut aufbringen können, braucht es erst mal gesammelte Klarheit und Kraft.

Nun ist das gerade in unseren heutigen Zeiten eine große Herausforderung, angemessen mit diesen Energien umzugehen. Sich ständig aufzuregen über Dinge, die sich nicht ändern lassen, macht die Seele krank und doch kann sich der Einzelne durchaus zu einer gewissen Zeit berufen fühlen, endlich mal klare Worte zu äußern, auf den Putz zu hauen und zu handeln, damit sich etwas ändert.

So gibt es ja auch die Heilige Wut, eine Empörung des Herzens ob ungerechter Handlungen oder Haltungen anderer Menschen. Manchmal reicht es, diese Wut zu spüren.
Das scheint mir sogar das Wichtigste zu sein: Alle Gefühle gehören zum Menschsein. Wenn sie sich melden, dürfen sie willkommen geheißen werden, gefühlt werden. Wenn wir solch eine Wut also richtig durch uns durchlassen – vielleicht fängt dann der Körper an zu zittern und uns entströmt ein Stöhnen oder Grunzen – dann haben wir das Beste für uns getan. Danach können wir entscheiden: Ist dieses Gefühl Anlass, auch damit etwas zu tun, zu verändern – oder war es wichtig, sich einfach nur diesem Zustand bewusst zu werden?
Wut kann so auch in eine innere Kraft führen, in eine neue klare Haltung. Mir erging es einmal mit einem Kollegen so: Er war wiederholt nicht sonderlich fair gewesen. Langsam sammelte sich in mir Unmut. Eine Weile konnte ich das gut verdrängen – bin ich doch soo spirituell –, aber dann merkte ich, dass es so nicht weiterging. In einer stillen Minute fühle ich deutlich die aufgestaute Wut, auch Traurigkeit, dass Menschen, konkret, dieser Kollege, manchmal so sind.

Er bekam diese Wut nie ab. Aber von da an hatte ich eine klare Haltung gefunden: Nicht noch einmal sollte er mir so begegnen. Und ihr werdet es nicht für möglich halten: Von da an war er einfach nur supernett und immer fair zu mir. Vielleicht spürte er meine neue Haltung und dass es wohl nicht sinnvoll wäre, mich erneut zu provozieren – aber das kann ich nur vermuten.

Und so komme ich auf mein Lieblingszitat des Dalai Lama zurück, das ich auch schon im Editorial genannt hatte: Die Motivation entscheidet. Wenn es die Motivation der Pflanze ist, ins Licht zu wachsen, sich von der Sonne beschenken zu lassen, damit die Blüte zur Entfaltung bringen kann, dann wird sie alle Kräfte mobilisieren, die ihr zur Verfügung stehen und sie so anwenden, wie sie eben gerade gebraucht werden. Wenn sie also unter dem Beton anfängt, braucht sie einfach Geduld, Durchhaltekraft und eine gewisse Portion Aggression und Kraft. Und vielleicht die Vision, das Wissen, dass da oben das Licht wartet – symbolisch gesprochen natürlich.
Das Kind will leben und durchbricht alle Schranken der Enge und der mit Wasser gefüllten Lungen, um ins Licht und ins erste Atmen zu kommen.

Nochmal der Dalai Lama: „Wir alle wünschen uns Glück!“ Und, würde ich hinzufügen, wir alle wollen lieben und geliebt werden. Wenn wir uns dieser Grundmotivation erinnern, und daran, dass dies uns alle eint, finden wir immer die richtigen Mittel und dürfen alles fühlen, was gefühlt werden möchte.

 

Thomas Schmelzer beschäftigt sich seit 20 Jahren in TV, web, Print und live mit bewusstseinsfördernden Themen. Er leitet das Onlinemagazin MYSTICA.TV, arbeitet als Redakteur und moderierte rund 30 Kongresse. Er interviewte er mehr als 800 Persönlichkeiten der Szene, ist Regisseur der erfolgreichen Dokumentationen „Die Übersinnlichen“ und „Wiedergeburt“ und Autor des Buches „Die Stille in mir“.
www.thomasschmelzer.dewww.mystica.tv

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