Daniela Hutter: Annehmen, was ist

„Ich will mein Leben, das ich hatte, wieder zurück …” schreibt eine Leserin von unserer Autorin Daniela Hutter. Da regt sich reflexartig Widerspruch in mir: Wie bitte, zurück ins alte Leben, jetzt, wo doch überall Veränderung, Wandel und Transformation angesagt sind? Aber dann lese ich von dem „neuen Leben” dieser Leserin.

Und das scheint vor allem aus Belastungen und Restriktionen zu bestehen, die natürlich alle irgendwie mit der Pandemie zu tun haben. Kurzum: Es gibt zu viel, von dem die Leserin mehr als genug hat, und es gibt nachvollziehbar gute Gründe für die Sehnsucht nach ihrem alten Leben.
Und so frage ich mich: Ist mir diese Sehnsucht denn wirklich so fremd? Sehnen wir uns nicht alle nach unserem alten Leben, manchmal, immer wieder sogar? Gerade noch erschien uns unser Leben einigermaßen angenehm und zufriedenstellend – und plötzlich ist alles anders: Es gibt Geldprobleme, der Job wird gekündigt, Krankheit wird diagnostiziert und das Leben spielt in einer Weise mit uns, auf die wir keinen Einfluss haben. Ohnmächtig erleiden wir, was geschieht. Ist es dann nicht einfach nur eine menschliche Reaktion, wenn wir uns wünschen: „Ich will mein altes Leben zurück“?

Zugleich wissen wir: Das Leben verändert sich unentwegt. Die Menschen, mit denen wir unser Leben teilen, verändern sich – und wir haben keinen Einfluss darauf. Lebensumstände, sei es gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich oder ganz persönlich, verändern sich – wir müssen es hinnehmen. Auch unser Körper verändert sich und wir haben es nicht unter Kontrolle, selbst wenn wir dagegen ankämpfen. Veränderung zu akzeptieren ist nicht einfach. Veränderung erfordert Mut und Stärke und nicht immer wollen und können wir beides aufbringen. Also suchen manche verzweifelt nach dem Schlüssel, der ihnen die Tür zu ihrem alten Leben aufsperrt.

Und zugleich wissen wir: Ein Zurück ist nicht möglich. Diese Erfahrung begleitet uns ja schon immer, nicht nur jetzt in der Pandemie. Natürlich können wir, wenn uns ein Partner verlassen hat, uns wieder neu verlieben. Aber es ist dann eben nicht diesselbe Liebe und dasselbe, alte Leben. Wir selbst verändern uns ja auch fortwährend, sammeln Erfahrungen und Erkenntnisse, entwickeln uns. Wir selbst können auch nicht zurück zu der Person, die wir früher einmal waren. Wenn wir in einem Tief waren und uns dann wieder aus dem Tief geholt haben, wenn sich das Leben wieder angenehm gestaltet, wir wieder zufrieden sind – das Leben vor dem Tief war anders, es ist nicht das Leben nach dem Tief.
Nun ist es aber offensichtlich so, und die Mail meiner Leserin zeigt das ja auch, dass wir manchmal in Situationen emotional wie gedanklich so festgefahren sind, dass wir es einfach wollen, dass das Leben wieder so wie früher wird, vorausgesetzt, früher war wirklich alles besser. Was also kann man tun? Was kann ich dieser Leserin antworten?
Mein Zugang zu meinem Leben kreiert sich aus dem Ansatz, dass ich durch das Leben lernen darf und dass sich mir das Leben durch immer neue Erfahrungen offenbart. Aus Situationen werden Lektionen. Lektionen, die meiner persönlichen Entwicklung und meiner Reise der Erkenntnis dienen.

„Annehmen, was ist“ kommt mir da als innerer Gedanke, den mir mein „weises Selbst“ zuspielen möchte. Denn solange wir am Alten festhalten, erzeugen wir Widerstand, und das tun wir, indem wir „es uns wieder zurück wünschen“. In diesem Widerstand ist auch Energie gebunden – und die fehlt uns für die neue Lebenssituation. Das ist mitunter auch der Grund, warum wir uns kraft- und machtlos fühlen. Im Prozess von „annehmen, was ist“ wird Energie frei und diese kann ich verwenden, um die aktuelle Herausforderung zu erkennen und meinen persönlichen Beitrag dafür zu geben, sodass die Situation, wie sie sich aktuell zeigt, zum Positiven verändert werden kann.

Dieses „Potential für Veränderung“ ist mein innerer Kompass. Denn mit jeder Veränderung tun sich neue Möglichkeiten auf, die man bislang vielleicht gar nicht auf dem persönlichen Radar hatte. „Oder etwas Besseres“, formulieren wir ja gerne mit Affirmationen, wenn es darum geht, dass wir uns für eine Veränderung in eine be­stimmte Richtung ausrichten. Wie oft habe ich in meinem Leben schon erlebt, dass mir scheinbar etwas genommen wurde. Doch was danach neu in mein Leben kommen konnte, war um etliches besser als vorher – nur „freiwillig“ hätte ich nicht losgelassen und Platz geschaffen.

Loslassen und in das Leben vertrauen, das ist wohl der einzige Weg – immer und immer wieder. Denn wie heißt es schön: „Wenn du loslässt, hast du zwei Hände frei. Zwei freie Hände, um die Veränderung willkommen zu heißen.“

mitten in die Brösel* von Daniela Hutter. *„Brösel“ – laut Duden: Krümel. Mit etwas bröseln, es zerbröseln: Es zerstören. „Mitten in die Brösel“. Bedeutet in Österreich: Unannehmlichkeiten haben, in einer unangenehmen Situation sein. Daniela Hutter schreibt, bloggt, spricht und lehrt als Autorin, Coach und Seminarleiterin. www.danielahutter.com

Buchtipp: „Mach dein hell“. Erhältlich direkt bei der Autorin und das Buch „Das Yin-Prinzip“ gibt es auch unter: www.mondhaus-shop.de

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