Dr. Hans Christian Meiser: Die Schönheit des Augenblicks

Alles, was wir tun, machen wir irgendwann einmal ein letztes Mal. Leider ist uns dies in den meisten Fällen dann nicht bewusst. Aber wie wäre es, wenn dem nicht so wäre? Wenn wir erkennen würden, dass es das letzte Mal ist, wenn wir ganz banale Dinge tun, wie Zähneputzen z. B.? Oder in einen Apfel zu beißen? Es ist nun einmal so, dass es aufgrund der Begrenztheit unseres Daseins für alle unsere Handlungen ein letztes Mal gibt. Deshalb ist es umso wichtiger, sich diese unvermeidliche Tatsache immer wieder einmal ins Bewusstsein zu rufen, um dadurch die Wichtigkeit, Schönheit und Einmaligkeit des Augenblicks zu erfahren. Im Internet stieß ich auf ein Gedicht, das genau das ausdrückt. Die Urheberschaft ist nicht gesichert, mal heißt es, dass es einen unbekannten Verfasser hätte, ein anderes Mal reklamiert ein George Micheal Grossman das Copyright für sich, ein weiteres Mal ein Dr. H. Salomon, der es für die Opfer vom 11. September 2001 geschrieben haben will.

Aber egal, von wem es stammt, ich möchte es hier in meiner Übertragung wiedergeben:

Wenn ich wüsste,
dass dies das letzte Mal ist,
dass ich Dich einschlafen sehe,
würde ich Dich fester zudecken
und Gott bitten, sich Deiner Seele anzunehmen.
Wenn ich wüsste, dass dies das letzte Mal ist,
dass ich Dich zur Tür hinausgehen sehe,
würde ich Dich in meine Armen nehmen und küssen
und Dich dann zurückrufen, um dies zu wiederholen.
Wenn ich wüsste, dass dies das letzte Mal ist,
dass ich Deine Stimme sich zum Lobe aufschwingen höre,
ich würde jede Geste und jedes Wort aufzeichnen,
um sie dann Tag für Tag wiedergeben zu können.
Wenn ich wüsste, dass dies das letzte Mal ist,
würde ich einen Augenblick lang innehalten,
und „Ich liebe Dich“ sagen, anstatt zu vermuten,
dass Du dies ohnehin schon weißt.
Wenn ich wüsste, dass dies das letzte Mal ist,
wäre ich da, um Deinen Tag mit Dir zu teilen,
selbst wenn ich gewiss bin, dass Du noch so viele erleben wirst,
und ich diesen einen verstreichen lassen kann.
Sicher, es gibt stets ein Morgen, um ein Versehen wettzumachen,
und wir erhalten immer eine zweite Chance,
um alles wieder auszugleichen.
Es wird immer einen anderen Tag geben,
um „Ich liebe Dich“ zu sagen,
und gewiss gibt es eine weitere Möglichkeit
zu fragen: „Kann ich etwas für Dich tun?“
Ein „Morgen“ ist niemandem versprochen,
weder Jung noch Alt,
und jetzt könnte die letzte Gelegenheit sein,
Deine Liebe festzuhalten.
Also: Wenn Du auf morgen wartest,
wieso tust Du’s dann nicht schon heute?
Denn wenn das „Morgen“ niemals kommt,
wirst Du es mit Sicherheit bereuen,
dass Du Dir nicht viel mehr Zeit genommen hast,
für ein Lächeln, eine Umarmung oder einen Kuss,
und Du zu beschäftigt warst, jemandem das zuzugestehen,
was sich als sein letzter Wunsch herausstellte.
Halte Deine Lieben deshalb nun ganz fest
und flüstere Ihnen ins Ohr,
sag ihnen, wie sehr Du sie liebst
und dass sie immer bei Dir sind.
Nimm Dir die Zeit, zu sagen, „Es tut mir leid“,
„Bitte verzeih mir“, „Danke“,
oder „Es ist in Ordnung“.
Und wenn das „Morgen“ niemals kommt,
musst Du das „Heute“ nicht bereuen.

Eine weitere Internetquelle besagt, dass Norma Cornett Marek, die im Jahr 2004 nach langem Kampf gegen den Krebs starb, dieses Gedicht im Jahr 1989 als Erinnerung an ein geliebtes Kind, das sie verloren hatte, schrieb – in der Hoffnung, dass es die Menschen veranlassen würde, niemals nachlässig mit anderen zu sein oder zu sehr beschäftigt, um die, die einem nahestehen, wissen zu lassen, dass man sie liebt.
„Ich habe jetzt keine Zeit!“ Wie oft sagen wir diesen Satz, ohne zu ahnen, welche Konsequenzen er haben könnte! Und wie oft haben wir wirklich keine Zeit für diejenigen, die uns am nächsten sind, gerade weil wir annehmen, dass ihre Nähe immerwährend ist. Anstatt uns die Zeit für andere zu nehmen, vertrösten wir sie auf ein anderes Mal und tun das, was uns im Augenblick wichtiger erscheint. Das, was aber wirklich wichtig ist, erkennen wir oft erst dann, wenn es zu spät ist. „Und seit jeher war es so, dass die Liebe ihre eigene Tiefe erst in der Stunde der Trennung erkennt“, heißt es beim libanesischen Schriftsteller Khalil Gibran. Dem möchte ich hinzufügen: Wir haben, die wir lieben, nur ein einziges Mal. Deshalb ist es so wichtig, uns darüber im Klaren zu sein, dass alles irgendwann einmal endet. Denn dann kommt es nicht nur auf das „Dass“ an, sondern vor allem auf das „Wie“.
ENGELmagazin Autor Hans-Christian Meiser
Dr. Hans Christian Meiser

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