Ingo Nommsen: Sind Sie auch immer so nett?

„Sie sind zu nett!“, sagt Frank Elstner zu Ingo Nommsen. Was dieser am Anfang seiner Karriere erst nicht versteht, erweist sich dann mit den Jahren als treffende Einschätzung. Er geht Konflikten und harten Entscheidungen aus dem Weg, erfüllt fremde Erwartungen, koste es was es wolle, und stellt die eigenen Bedürfnisse hintan.

Dann wird ein privater Schicksalsschlag zum Wendepunkt. Nah am eigenen Lebensweg erklärt Ingo Nommsen, welche Schritte er machte, um aus seiner Misere herauszukommen und sich neu selbst zu behaupten. Er erläutert die häufigsten Verhaltensfallen und erkundet die effektivsten Auswege: Warum will ich es allen recht machen? Wie kann ich meine Denkweise verändern? Wie lerne ich, künftig „Nein“ zu sagen? Ingo Nommsen zeigt, dass es nur kleine Verhaltensänderungen im Alltag braucht, um große Schritte aus der Nettigkeitsfalle zu machen. Freundlich sein, ohne sich selbst ausnutzen zu lassen. Ihr Weg beginnt jetzt!

Was bedeutet Nettsein eigentlich? Zu allem Ja und Amen sagen? Stets freundlich sein, auch wenn dir gar nicht danach ist? Weil nämlich dein Gegenüber so gar nicht nett ist und eigentlich ein paar deutliche (und vielleicht nicht so angenehme) Worte angebracht wären. Denn genau das kriegst du als netter Mensch eben nicht so leicht hin. Oder bedeutet es, Ärger und Diskussionen vermeiden, damit der liebe Frieden gewahrt bleibt? Heißt Nettsein, lieber die Erwartungen anderer zu erfüllen, statt seine eigenen Interessen durchzusetzen? Ist dauerhaftes Nettsein nicht irgendwie verlogen? Oder gar feige? Sie sehen schon: Fragen über Fragen. Ein weites Feld.

Werden wir nicht alle (mehr oder weniger) erzogen, freundlich zu sein? Ist es nicht sogar ein evolutionärer Vorteil? Bin ich nett zu dir, bist du nett zu mir. Helfe ich dir, hilfst du mir. Zusammen ist man stärker. Was aber, wenn ich vermeiden wollte, „zu nett“ zu sein, wie muss ich denn dann sein? Was ist das Gegenteil? Wo verläuft die Grenze zwischen nett und unfreundlich und rücksichtslos und egoistisch? Kann man nur ein bisschen nett sein? Oder mal nett und dann wieder nicht? Wäre das nicht extrem irritierend für mein Umfeld? Sollte man nicht eine gewisse Persönlichkeitskonstante haben? Eine Art Verhaltensbeständigkeit? Und kann man einfach Teile seiner Persönlichkeit verändern?

Ich tauchte also ein in meine persönliche Nettigkeitsforschung! Und mehr und mehr stellte ich fest, dass ich mit diesem „Problem“ nicht allein bin. Offenbar haben viele Menschen dieses Etikett – und auch sie finden es häufig lästig. Tatsächlich ist stete Nettigkeit problematisch, es kann sogar schlecht für unser Wohlbefinden sein. Dauerhaftes Nettsein kann gesundheitsschädlich sein. Glauben Sie nicht? Ist aber so.

Kennen Sie das? Sie machen es gerne allen anderen recht – und kommen selbst immer zu kurz? Sie bleiben freundlich, obwohl Ihnen eigentlich der Kragen schon geplatzt ist? Nicken, lächeln, Ja sagen. Und innerlich kochen.

Vertrackte Situation. Man möchte ja gerne beliebt sein, will gemocht werden und nicht als egoistisch und unfreundlich gelten. Aber wie bekommt man diesen Spagat hin? Als ich anfing, mich mit diesem „Problem“ zu beschäftigen, war ich erstaunt, wie viele Leidensgenossinnen und -genossen da draußen rumlaufen. Männer und Frauen, junge und alte, die sich nicht trauen, Nein zu sagen oder immer die Bedürfnisse der anderen vor ihre eigenen stellen. Na und, könnte man sagen, das ist doch kein gravierendes Problem! Ist es aber doch. Denn wenn man immer nur die Bedürfnisse anderer befriedigt und seine eigenen vernachlässigt, also gegen seine Natur und Einstellung agiert, dann kann einen das auf Dauer sogar krank machen. Natürlich hat jeder Mensch seine individuelle Nettigkeitsbiografie und auch die Auswirkungen sind unterschiedlich, aber am Ende führt es mindestens zu Unzufriedenheit und Frust. Im schlimmsten Fall kann die Psyche sogar ernsthaften Schaden nehmen.

Und jetzt fragen Sie sich, wie Menschen vom „Zunettsein“ Depressionen oder Angststörungen bekommen können. Expertinnen sehen da durchaus Zusammenhänge. Denn wenn ich immer nur aus Sorge vor Liebesentzug es meinen Mitmenschen recht mache oder aus Existenzängsten im Job nie meinen Mund aufmache und für meine Belange einstehe, dann kann aus einer Sorge irgendwann eine ausgewachsene Angst werden. Wohlgemerkt: Kann. Muss nicht.

„Hilfe, ich bin zu nett“ klingt vielleicht auf den ersten Blick amüsant, kann aber für Menschen, die nichts dagegen unternehmen, zu einer Belastung werden.

Häufig trifft es Frauen, die sich in erster Linie rund um die Uhr um ihre Familie kümmern und dabei sich selbst, Freunde und sogar ihr Lieblingshobby vernachlässigen. Und Männer, da spreche ich ja aus eigener Erfahrung, können davon natürlich genauso betroffen sein. Auch sie leiden irgendwann unter diesem Nettigkeitssyndrom.

Vielleicht haben Sie ja in Ihrem Umfeld auch so „schrecklich nette“ Menschen. Möglicherweise wollen die gar nicht immer zu allem Ja sagen, können es aber nicht. Die könnten wir zur Abwechslung mal ermutigen, Nein zu sagen. Oder einfach nur um ihre ehrliche Meinung ersuchen. Auch wenn sie unbequem ist. Denn das ist in solchen Fällen sicher unsere größte Hürde: das Risiko in Kauf zu nehmen anzuecken, nicht gemocht zu werden und andere zu enttäuschen. Kein Wunder. Nette Menschen werden von allen gemocht, gelobt und umgarnt. Bingo! Das fühlt sich verdammt gut an! Also machen wir immer weiter und gleiten durch unsere Nettigkeitsspirale immer tiefer in die Nettigkeitsfalle.

Und dann treten die ersten Symptome auf: Schlechte Laune kommt auf, der Frust wird größer. Man ist wütend, auf sich und die anderen.

Ein guter Coach, ein guter Freund und ein gutes Umfeld werden gerade in solchen wichtigen Abschnitten des Lebens super wichtig. Weil sie deinem Leben aus einer wohlwollenden Perspektive ehrlich den Spiegel vorhalten können, in dem du dich auch selbst plötzlich ganz anders sehen und entdecken kannst.

WERT UND WICHTIG
Habe ich eigentlich einen Lebenskompass? Normen, Moralvorstellungen und Werte, nach denen Sie Ihr Leben ausrichten? Spontan habe ich diese Frage mit „Selbstverständlich“ beantwortet. Nur, als ich sie dann konkret benennen sollte, kam ich ganz schön ins Schleudern.

Was ist mir eigentlich wichtig im Leben? Welche Werte bestimmen mein Denken und Handeln? Die Fragen kommen harmlos daher, sind aber gar nicht so leicht zu beantworten. Welche Werte beziehungsweise Wertvorstellungen habe ich? Und was ist das eigentlich, ein Wert? Über Werte wurden schon ganze Wälzer geschrieben. Werte sind erstrebenswerte, für moralisch oder ethisch gut befundene spezifische Wesensmerkmale. Für große Gruppen wie das Abendland oder die viel zitierten europäischen Werte gilt das genauso wie für unsere individuellen Werte. Wenn aus Normen persönliche Glaubenssätze entstehen, die zu Denk- und Handlungsmus- tern führen.

Denken Sie dran: Machen macht glücklich! Nicht nur für andere – sondern gerade für sich selbst.

Lesen Sie den ganzen Artikel im ENGELmagazin Januar/ Februar 2022.

Ingo Nommsen (ingo-nommsen.de)
„Hilfe, ich bin zu nett! – Grenzen setzen, wenn andere Ihre Freundlichkeit ausnutzen. Schritt für Schritt zur Selbstbehauptung.“
Ariston Verlag
Erhältlich auch unter: www.mondhaus-shop.de

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