Joseph Emet: Eine Begegnung mit der Veränderung

Jeder Versuch, das Jetzt zu fassen zu bekommen, festzuhalten, darüber nachzudenken, es zu verstehen, schlägt fehl. Wir machen viel Aufhebens darum, indem wir es intellektualisieren. Aber das Jetzt, das wir in Begriffe fassen, ist nicht das schwer fassbare Jetzt, in dem wir leben. Unser Leben, eine ständige Abfolge von Jetzts.

Denn Jetzt ist nur ein Verb. Auch das Selbst ist ein Verb

Auch das Selbst versuchen wir aufzubauschen, und wir identifizieren uns mit diesem Ding, das wir erzeugen. Unsere Identifikation läuft etwa so ab:
Ich bin eine Wahrnehmung.
Ich bin meine Wahrnehmungszustände.
Ich bin mein Körper.

Jeder dieser Aussagen mag zutreffen, aber nur für einen Augenblick und nur teilweise. In jedem Fall stellt sich heraus, dass ich mehr bin. Ich bin mehr als meine Gedanken. Ich bin mehr als meine Bewusstseinszustände.

Wenn ich mich mit einem Teil von mir identifiziere, reduziere ich das Ganze auf ein Bruchstück von ihm. Es ist, als würde ich sagen: „Ich bin mein Zahn.“ Es trifft zwar so anfühlt, als wäre ich nur mein schmerzender Zahn und nur dieser Schmerz. Aber an mir ist mehr, und wenn der Zahn heilt, bin ich in der Lage, wieder das große Bild und die Dinge in ihrem Zusammenhang zu sehen.

Die Anwendung der Achtsamkeit bedeutet, dass man daran denkt, dass man ein Verb ist, das im Spiegel wie ein Substantiv aussieht. Sie lässt zwar auch diese Illusion gelten, aber sie sitzt ihr nicht auf. Die Realität heißt Veränderung, und Beständigkeit ist eine Illusion, auch wenn es auf den ersten Blick so wirken mag,als sei es umgekehrt.
Es erzeugt Stress, Beständigkeit zu erwarten. Den Wandel anzunehmen, führt zur Weisheit.

Übung: Achtsam fahren
„Vor der Erleuchtung – hacke Holt und trage Wasser. NAch der Erleuchtung – hocke Holz und trage Wasser.“ Dieses Zen-Sprichwort richtet sich auf zwei in damaligen Zeiten übliche Tätigkeiten, die ein praktizierender Zen-Buddhist in der Regel sowohl vor als auch nach seiner Erleuchtung verrichtete. Die Tätigkeiten selbst sind die gleichen, aber jetzt werden sie aus ganzem Herzen und mit Aufmerksamkeit durchgeführt, ohne dass dabei an andere Dinge gedacht wird oder in Gedanken Debatten fortgesetzt werden, die in keinem Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten stehen.
Ein theoretische sVerstehen der Achtsamkeit wird zur angewandten Achtsamkeit, indem wir sie in unsere Alltagsaktivitäten einbinden. Und heutzutage ist das Autofahren für die meisten von uns eine üblichere Tätigkeit als Holzhacken oder Wassertragen.
Die nachstehende Übung zum Autofahren soll Sie nicht in einen „Sonntagsfahrer“ verwandeln, der ärgerlich oder gar rücksichtslos langsam fährt. Vielmehr sollen Sie in eine gute Stimmung versetzt werden, wenn Sie sich auf die Straße begeben, damit Sie ein Bewusstsein für die Mittel ebenso wie für die Zwecke entwickeln. Die Übung soll der Tendenz entgegenwirken, sich ausschließlich auf das Ziel zu konzentrieren. Außerdem macht sie uns sensibler für die Neigung, beim Fahren in eine konkurrierende, wütende oder ungeduldige Geisteshaltung zu verfallen. Es dauert nur zwei Minuten, die folgenden Zeilen vor dem Losfahren zu singen. (Geeignet dafür ist etwa die Melodie des Kinderlieses „Row, row, row, row your boat“, die Sie sich beispielsweise auf Youtube anhören können.) Außerdem sollten Sie für die Fahr ein wenig mehr Zeit einplanen – es könnte sein, dass es Ihnen schwerfallen wird loszurasen, nachdem Sie diese Zeilen gesungen haben.

„Fahr, fahr, fahr nur zu, sanft den Weg entlang,
fröhlich, fröhlich, fröhlich, fröhlich in den Tag hinein.
Lächelnd rollst du dahin, sorgenlos und froh,
fröhlich, fröhlich, fröhlich, fröhlich,
Leben ist nur ein Traum.
Lass die Seele mit den Lüften zieh’n,
einem bunten Drachen gleich,
fröhlich, fröhlich, fröhlich, fröhlich,
jeder Tag macht dich reich.
Behaglich sitzt du da, während deiner Fahrt,
fröhlich, fröhlich, fröhlich, fröhlich,
beginnt ein schöner Tag.“

Sie können diese Zeilen abschreiben oder kopieren und sich als Gedächtnisstütze an die Sonnenblende kleben.

 

In seinen Dreißigern war Joseph Emet während einer Reise in Mexiko Change begegnet. Joseph Emet hielt sich in den Cabañas Don Armando in Tulum auf, einer Reihe strohgedeckter Hütten afu dem wunderschönen weißen Strand der Karibikküste.

„Hi, ich heiße Jospeh“, sagte ich, während wir beide auf die Wäsche warteten. „Ich heiße Change“, antwortete sie. Ich war bereits einigen Frauen und Männern begegnet, die als New-Age Babys geboren worden waren und entsprechende Namen hatten. Aber das jemand Change, also Veränderung, hieß, war auch für mich völlig neu, und zusammen mit den Bougainvilleen, den Palmen und dem Strand wurden sie und ihr Name Zeil des Zaubers jenes Ortes.
Nach dieser Begegnung war ich etwas irritiert und wurde mir plötzlich bewusst, dass der Sonnenuntergang, auf den ich jeden Abend starrte, auch Veränderung war, ebenso wie die Brandung und der Wind. Auch ich war Veränderung, aber ich hatte diesen Moment erleben müssen, um das klar zu erkennen.
Während ich zurückging, bemerkte ich, dass ich jetzt wusste, warum ich so gern draußen lebte und warum ich nun am Strand wohnte – weil die reale Welt immer Veränderung ist und ich hier den Elementen unmittelbar ausgesetzt war. Als ich später der buddhistischen Lehre von der Unbeständigkeit begegnete, war es, als würde ich einen alten Freund treffen.

 

Auszug aus dem Buch „Buddhas Buch der Gelassenheit“ von Joseph Emet

Joseph Emet wurde von dem weltbekannten Zen-Meister Thich Nhat Hanh zum Dharma-Lehrer ausgebildet. Er ist Gründer und Leiter des Mindfulness Meditation Centre in Montreal, wo er Achtsamkeitstrainings, Kurse für Stress-Management und persönliche Entwicklung anbietet. mindfulnessmeditationcentre.org

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